Welches sind die Energieträger der Zukunft? Dies ist wohl eine der wichtigsten Fragen zu Beginn des 21. Jahrhunderts.
Dieser Artikel beschreibt, wie ich durch eine eher peinliche Unterhaltung mit meiner Vermieterin dazu kam, mich über die offiziellen Meinungen der Parteien CDU und Die Linke zum Thema Energiepolitik zu informieren. Wie sieht die Planung dieser Parteien hinsichtlich unserer Zukunft aus? Wie ernst sind ihre Ambitionen zu nehmen? Dieser Artikel ist der erste Teil der Reihe "Energie heute und morgen". Der zweite noch folgende Teil wird dann meine persönlichen, energiestrategischen Überlegungen zu einer zukunftsfähigen Stadt behandeln.
Steigende Benzinpreise kündigen dem Verbraucher das Ende der fossilen Ära an. Atomenergie gewinnt durch die Diskussion um den Kohlendioxid-Ausstoß wieder Befürworter. Die Neutralität hinsichtlich der Treibhausgase ist aber auch schon das einzige wirkliche Argument für Atomkraft; der Nutzen relativiert sich schnell, wenn man die damit verbundenen Risiken betrachtet: Unvergessen ist die Katastrophe von Tschernobyl vom 26. April 1986. Abgesehen vom nuklearen Super-GAU bleibt die Frage der Endlagerung. Je länger Strom mit Atomenergie erzeugt wird, umso mehr radioaktiver Müll häuft sich an, dessen sichere Verwahrung nicht nur risikobehaftet ist, sondern auch viel Geld verschlingt. Die Halbwertszeit, also die Zeit bis die schädliche Radioaktivität abgeklungen ist, bewegt sich in Dimensionen von rund 240.000 Jahren (Quelle: NABU). Niemand kann die Verwahrung des Materials auf einen so langen Zeitraum sicherstellen!
Dazu ein kleiner Exkurs in zeiträumliche Dimensionen: Geht man 240.000 Jahre zurück in die Vergangenheit befindet man sich in der Mindel-Riss-, bzw. Holsteinwarmzeit, dazwischen liegen die letzen beiden Eiszeiten ( Riss- und Würmeiszeit für die Vergletscherung ausgehend von den Alpen und parallel dazu Saale- und Weichseleiszeit für die Vergletscherung Norddeutschlands von der Nordpolarregion aus), die dazwischen liegende Warmzeit, sowie die gerade mal 10.000 Jahre währende Warmzeit des Holozäns, in der wir uns heute befinden. Der moderne Mensch betrat wohl vor etwa 35.000 Jahren die Weltbühne, wie die Funde bei Cro Magnon in Frankreich belegen. Unter den harten Lebensbedingungen während der Würm/Weichseleiszeit schafften es unsere Vorfahren Jahrtausende zu überleben, bis das Holozän vor etwa 10.000 Jahren ihnen eine Besserung des Klimas versprach (wer sich in dieser Hinsicht informieren möchte, der lese zur Einführung Goudie 2002, Kap. 2.7 Klimaänderungen, S. 53-62).
Doch zurück in die Zukunft! Wer kann allen Ernstes die Verwahrung des Atommülls in den nächsten 240.000 Jahren verantworten? Wann kommt die nächste Eiszeit? Wann wird die massive Grundmoräne der von Skandinavien kommenden Gletscher die Atomendlager in Norddeutschland schleifen? Was passiert wenn sich die Gletscher nach der nächsten Eiszeit wieder zurückziehen und der nach wie vor radioaktive Atommüll freigelegt wird? Wer jetzt mit dem Vorschlag kommt, man müsse den Treibhauseffekt vorantreiben, damit man die nächste Eiszeit verhindere, den würde ich gerne persönlich erwürgen!
Quelle: Ulmer Ärzteinitiative
Ganz zu schweigen von dem gesundheitlichen Risiko, steht fest, dass die Wartung des Atommülls uns und unsere Kindeskinder sehr viel Geld kosten wird – ein Aufwand der sich umso mehr erhöht, je länger wir Atomenergie nutzen, also je mehr Atommüll wir produzieren.
Nächster Exkurs: Als ich mit meiner Freundin vergangene Woche den Mietvertrag zu unserer neuen Wohnung unterschrieb, fiel das Gespräch mit unserer freundlichen, etwas in die Jahre gekommenen Vermieterin (geboren vermutlich um die Weichsel-/Würmeiszeit) auf die Politik. Sie regte sich über Die Linke auf, die ja derzeit durch ein Bündnis mit der SPD in den hessischen Landtag einziehen könnte. Sie als CDU-Wählerin war der Meinung, das seien doch die Kommunisten aus dem alten DDR-Regime und die würden nun bei uns ihre Diktatur des Proletariats neu errichten wollen – man könne doch alternativ die FDP wählen, aber doch bitte nicht die Linken! Mit prüfendem, beinahe drohendem Blick sah sie mich daraufhin an und sagte: „Sie sind doch nicht etwa auch einer von denen?“ Nachdem ich zunächst zur Salzsäule erstarrte, konnte ich mich noch irgendwie herausreden ohne eine definitive Antwort zu geben, denn der Mietvertrag – das war in dem Moment für uns das Wichtigste – war noch nicht unterschrieben.
Auch wenn ich in meinem kurzen Wählerdasein nie die Linkspartei gewählt habe, sympathisiere ich politisch doch definitiv eher mit den linksgerichteten, als mit den rechtsgerichteten Parteien. In diesem Moment wusste ich, wie es sich anfühlt in die nicht einmal selbstverschuldete Unmündigkeit herabzusinken und zum politischen „Ja-Sager“ zu werden – die Wohnung haben wir aber bekommen!
Dieses Erlebnis nun motivierte mich halb aus Trotz, halb aus Neugier, die in der politischen Öffentlichkeit viel gescholtene Linkspartei, der ja vor allem Populismus vorgeworfen wird, einmal genauer unter die Lupe zu nehmen und mit der CDU (meiner Vermieterin) zu vergleichen, womit wir wieder beim eigentlichen Thema der Energiepolitik sind.
Zunächst zur Bundesregierung unter Führung der CDU, deren politische Strategie einen „breiten Energieträger-Mix“ beinhaltet (Quelle: Infodokument auf der offiziellen Seite der CDU). Sie will den marktwirtschaftlichen Wettbewerb fördern und so die die Energiepreise stabil halten und will dabei auf „absehbare Zeit [nicht] auf den erheblichen Beitrag der Kernenergie“ verzichten.
Sie setzt betont auf Forschung und Entwicklung innovativer Technologien. Die Fördermittel lesen sich aber vergleichsweise spärlich: „[B]is 2009 fließen 2 Milliarden Euro in diesen Forschungsbereich. Für die Förderung sparsamer Energieverwendung werden 24,9 Millionen Euro bereitgestellt.“ Dem ist beispielsweise eine Aussage der Linkspartei über die Gewinne der Ölkonzerne gegenüberzustellen: „Exxon-Mobile, BP, Shell und Total, die gemeinsam den deutschen Markt beherrschen, haben 2006 zusammen einen Gewinn von 100 Milliarden Euro gemacht.“ (Quelle: Infodokument der Linkspartei) Gegen die enormen Profite die auf dem Markt fossiler Energien gemacht werden, erscheinen 2 Milliarden Euro, die in die Erforschung von erneuerbaren Energien gesteckt werden, als Tropfen auf dem heißen Stein.
Doch zurück zum Plan der CDU: Die europäischen Kohlekraftwerke sollen modernisiert werden, um „die CO2-Emissionen in der EU um 300 bis 400 Millionen Tonnen“ zu senken. Visuell verdeutlicht die folgende Grafik des Umweltbundesamts die Strategie eines „bunten“ Energieträgermixes, die die Stromerzeugung nach Energieträgern im deutschen Kraftwerkpark darstellt.
Quelle: Umweltbundesamt
Neben einer generellen Effizienzsteigerung ist die Strategie im Hinblick auf das Jahr 2020 vor allem den Anteil von Erdgas zu steigern – so viel zum Thema „die Risiken der Importabhängigkeit zu mindern“. Während der Anteil des Erdgases grob geschätzt verdreifacht werden soll, ist für die erneuerbaren Energien in etwa eine Verdoppelung vorgesehen. Nimmt man fossile Energien und Atomkraft in der Grafik zusammen, machen diese Energieträger auch im Jahr 2020 noch die überwältigende Mehrheit der Stromerzeugung in Deutschland aus. Hinzu kommt der in der Grafik unklare Anteil der fossilen Energien an der „Effizienzsteigerung“.
Vergleicht man das Informationsdokument zur Energiepolitik der CDU mit dem der Linkspartei, fällt auf, dass jenes der CDU mit 3 Seiten recht spärlich ausfällt, wohingegen letztere dem Thema ganze 10 Seiten widmet. Die CDU betont in ihrem Programm immer wieder die Wirtschaftlichkeit und setzt sie in Aufzählungen meist an erste Stelle:
„Marktwirtschaftliche Lösungsansätze bieten die Chance, wirtschaftliche Effizienz, gerechte Lebenschancen, Klimaschutz und die Bewahrung der natürlichen Lebensgrundlagen miteinander in Einklang zu bringen.“
oder
„[…] Grundlage für die ökonomische, ökologische und soziale Entwicklung in Deutschland […]“
oder auch
„Für eine sichere, wirtschaftliche und umweltverträgliche Energieversorgung […]“.
Angesichts der geplanten Energieerzeugung im Jahr 2020, die nach wie vor zum größten Teil auf fossiler Energie beruht, und der ausdrücklichen Betonung der Wirtschaftlichkeit, kommt der Verdacht auf, dass das große Motto der CDU – „Die CDU steht für eine nachhaltige Energiepolitik.“ – sich vor allem auf eine wirtschaftliche Nachhaltigkeit bezieht.
Doch woher stammt eigentlich die Idee, an der so viele festhalten, dass erneuerbare Energien nicht wirtschaftlich seien? Ist es nicht vielmehr die Lobby von Atomenergie und fossiler Brennstoffe, die uns dies aus Angst um ihre Existenz weismachen will? Steckt zudem nicht ein enormes wirtschaftliches Potential in den erneuerbaren Energien – zumal Deutschland in Umwelttechnologien gegenüber anderen Staaten bis jetzt noch Vorreiter ist. Gerade erneuerbare Energien bieten uns die einmalige Chance von der Importabhängigkeit wegzukommen und „unsere“ Technologien gewinnbringend zu vermarkten.
Doch nun zum Info-Dokument der Linkspartei: „Energiewende – sozial, ökologisch, friedlich“ ist das Motto. Im Gegensatz zum marktwirtschaftlichen Wettbewerb, den die CDU fördern will, setzt Die Linke in der Energiewirtschaft auf Gemeinwohlorientierung statt Profitmaximierung und stellt sich daher gegen die Oligopole der großen Strom-Konzerne E.ON, RWE, Vattenfall und EnBW, die 80 Prozent der Stromerzeugung in Deutschland kontrollieren.
Außenpolitik ist ein Thema, dass die CDU nur mit dem Begriff „Importunabhängigkeit“ streift, und sich dabei aber, wie oben dargestellt mit ihrer Erdgas-Politik „vergaloppiert“. Energiepolitik ist bei der Linkspartei auch Friedenspolitik: Sie bringt die Militarisierung der Energieressourcensicherung zur Sprache und meint damit nicht nur die USA, deren Interesse an irakischen Ölvorkommen kein Geheimnis mehr ist.
Bestes aktuelles Beispiel ist der Krieg um die rohstoffreichen Gebiete Süd-Ossetien und Abchasien, die offiziell Georgien angehören, aber von russischer Seite nach den jüngsten Konflikten, in Verbindung mit dem Einmarsch russischer Truppen in georgisches Territorium jenseits der Konfliktgebiete, als „unabhängig“ anerkannt werden. Letztlich ist doch klar, warum diese Gebiete Russland so wichtig sind und auf der anderen Seite auch, warum die USA Georgien so viel Unterstützung zusprechen.
Genauso klar ist, warum zur Zeit der Sowjetunion russische Migranten in diese Gebiete entsandt worden sind. Eine ähnliche Strategie verfolgte die Sowjetunion beispielsweise schon in Lettland, wo auch heute noch die Hälfte der Bevölkerung russischer Herkunft ist: Zur Herrschaftssicherung sollten sich die russischen Einwanderer mit der lettischen Bevölkerung auf friedlichen Wege, durch Heirat, vermischen.
Dank der Einwanderung nach Süd-Ossetien und Abchasien während des sowjetischen Regimes fällt es Moskau heutzutage leicht, die Verteidigung bzw. Vereinnahmung der von Georgien abtrünnigen Gebiete recht zu fertigen: Man schützt ja nur seine Bevölkerung.
Mit knapper werdenden fossilen Rohstoffen, werden also auch die Konflikte um selbige zunehmen. Umso mehr bieten erneuerbare Energien die Chance sich von außenpolitischen Einflüssen zu befreien – die Linkspartei trägt diesem Umstand einfach besser Rechnung.
Neben der Nutzung regenerativer Energien, fordert Die Linke „ein radikales Umdenken bei den Konsummustern und im persönlichen Verhalten.“ Hinsichtlich dem „radikalen Umdenken“ empfehle ich jedem die „Story of Stuff“ der US-Amerikanerin Annie Leonard.
Bei dem Wort „radikal“ in Verbindung mit Linken sehen Viele sprichwörtlich „rot“. Wie auch meine Vermieterin sehen sie schon die blutige Revolution kommen, sollten jemals die Linken an die Macht kommen.
Wer sich das Parteiprogramm der Linkspartei durchliest, wird aber einsehen müssen, dass sich die Zeiten gewandelt haben: Die demokratische Grundordnung wird nicht in Frage gestellt. Stattdessen betont Die Linke die soziale Frage, was in Zeiten steigender sozialer Ungleichheit nur berechtigt ist. Auch die Energiepolitik müsse, so Die Linke, sozial gestaltet werden, indem zum Beispiel die Ökosteuer sozial gerecht weiterentwickelt werde. Wer viel verbraucht, zahlt auch viel – ist das etwa ungerecht oder populistisch?
Insgesamt hat die Linkspartei im Vergleich mit der CDU einfach das bessere Gesamtkonzept, bzw. sie geht auf die wirklich wichtigen Fragen ein, welche von der CDU meist außen vor gelassen werden. Sicherlich ist dies auch dadurch begründet, dass die CDU die Regierung stellt und politisch stärker eingebunden ist, während es der Linkspartei als Opposition leicht fällt Kritik zu üben. Aber genau das ist das Problem: Die CDU lässt sich von den Energiekonzernen, bzw. von der gesamten Wirtschaft zu sehr einwickeln und vergisst dabei die Vernunft. Sie schmückt sich zwar mit Worten wie „Nachhaltigkeit“, wird diesen aber nicht ansatzweise gerecht.
Das Fazit der Linkspartei hingegen ist überhaupt nicht wirklichkeitsfremd oder gar populistisch, sondern liest sich geradezu wie ein Lehrbuch der Geographie, das die zentralen Probleme des 21. Jahrhunderts behandelt:
„Angesichts des Klimawandels ist das bisherige Wohlstandsmodell der Industriemoderne grundlegend zu überprüfen. Bestehende Wohlstandsgefälle werden sonst durch neue Formen globaler ökologischer Apartheid verstärkt. Zur Eindämmung des Klimawandels sind erhebliche Änderungen in den Produktions- und Konsummustern erforderlich. Dazu bedarf es Ressourcen sparender Technologien, aber auch einer Änderung von Lebensstilen. Beides kann nicht allein den Märkten überlassen werden. Damit der Wandel nicht zu einer Vertiefung von sozialen Spaltungen führt, ist ein Primat der Politik unabdingbar. Klimaschutz braucht soziale Akzeptanz. Globaler Frieden braucht Klimaschutz.“
Mein Fazit: Ich habe noch vor bis mindestens 2064 auf diesem Planeten zu leben, dann bin ich 80 Jahre alt und habe „mein Leben gelebt“, meine Kinder werden dann auch schon erwachsen sein und vielleicht auch schon Kinder haben. Bei dem derzeitigen Verbrauch werden die fossilen Rohstoffe aufgebraucht sein oder stark dezimiert und unbezahlbar. Ich möchte auch nicht, dass ich und meine Kinder dann noch mehr Steuern für die sichere Verwahrung von Atommüll zahlen müssen, als wir es nach dem heutigen Stand schon tun müssen.
Wenn ich die Wahl zwischen den zwei genannten Parteien hätte, wüsste ich in welche Hände ich meinen kleinen Anteil an der Souveränität in dieser Demokratie legen würde, so dass ich beruhigt dahinscheiden könnte, in der Gewissheit, dass meinen Kindern eine Grundlage nachhaltigen Lebens gegeben ist.
Ach ja, da fällt mir ein: Ich habe ja die Wahl und der Mietvertrag ist auch längst unterschrieben! Vielen Dank möchte ich an dieser Stelle meiner Vermieterin aussprechen, da sie mir – ohne es zu wollen – in dieser Hinsicht ein Stückchen weiter die Augen geöffnet hat.
Steffen Hirth
PS: Ich möchte nur klarstellen, dass ich mich an dieser Stelle nicht als zukünftiger Wähler der Linkspartei zu erkennen gebe. Die Wahl ist ja bekanntlich geheim. Mit dem Artikel wollte ich nur aufzeigen, dass Die Linke durchaus eine ernstzunehmende Partei ist, was ihr von großen Teilen der anderen Parteien häufig abgesprochen wird, wohl auch um sie klein zu halten und mögliche Wähler abzuschrecken. Ob die Linkspartei hält, was sie verspricht, wenn sie an die Macht kommt, ist sowieso eine andere Frage. Parteien wie die CDU mögen auf den ersten Blick vielleicht bodenständiger oder realitätsnäher erscheinen, weil sie ganz einfach geringere Ambitionen haben, etwas zu verändern. Ohne Änderung aber werden wir, die Menschheit – denn so viel habe ich nicht nur durch mein Geographiestudium bisher gelernt – kräftig auf die Schnauze fliegen. Auch wenn viele Wähler in Deutschland sich scheinbar schon mit einem Bein im Grab fühlen: Denkt bei der nächsten Wahl doch bitte trotzdem an eure Kinder, Enkelkinder und Urenkel und deren Kinder und deren Kinder und deren Kinder und deren Kinder und deren Kinder...
Literatur:
Goudie, Andrew (2002): Physische Geographie - Eine Einführung. München.
Hier geht's direkt zum zweiten Teil der Reihe "Energie - heute und morgen".
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